Im rechtlichen Spannungsfeld : Familie 2.0

Vortrag anläßlich des Jubiläums '30 Jahre TuSch' am 22. Juni 2016

Familie heute, Familie, die in verschiedensten Konstellationen und Formen auftreten kann,
Familie in ihrer Vielfalt, von der Kernfamilie über die Stief- und Patchworkfamilie zur Regenbogen-familie und die virtuelle Familie, die quasi eine Revolution im Wohnzimmer erfahren hat, die Familie im digitalen Zeitalter.
Zu Familie in Vielfalt möchte ich Ihnen die Äußerungen zu Identität 2.0 von Prof. Dr. Graf, LMU Mün-chen, anlässlich der Eröffnung der Europawoche 2016 nicht vorenthalten.
Er meint, Identität 2.0. ist nicht starr. Menschen haben Koexistenten und mehr als 1 Identität. Da-durch entsteht Vielfalt.
Mehr Vielfalt schafft mehr Konflikt, aber mehr Vielfalt bedeutet auch Bereicherung.
Lassen Sie uns diese Gedanken übertagen auf Familie 2.0 und uns das Konfliktpotential, aber auch die Bereicherungsmöglichkeiten von Familie in Vielfalt betrachten.
Bevor ich Ihnen die Vielfalt und die Probleme mit deren Vielfalt darstelle, möchte ich zunächst den juristischen Begriff von Familie erläutern:
Familie i. S. des Art 6 Abs. 2 S1 GG ist die Gemeinschaft der Eltern mit ihren Kindern. Familie ist da, wo Kinder sind, gleichgültig, ob es sich um leibliche Kinder, um Adoptivkinder, Stief- oder Pflegekin-der oder um nichteheliche Kinder handelt, ob sie aus einer oder mehreren Ehen hervorgegangen sind. Sie liegt auch vor bei unverheirateten Paaren.
Sicher hatten die Verfassungsväter und -mütter von 1949, als sie die Familie unter den Schutz des Grundgesetzes stellten, dieses Bild von Familie nicht vor Augen, sondern nur die Vater-Mutter-Kind-Beziehung. Diese Entwicklung erfolgte jedoch durch Rechtsprechung und Gesetzgebung. Fest steht, dass sich das Bild von Familie seit 1949 mehr geändert hat als in 500 Jahren zuvor.

Kommen wir zunächst zur Kernfamilie:
Sie besteht aus verheirateten Eltern mit leiblichen Kindern, sie gilt als die traditionelle Familie.
Nach einer Studie des BIB (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung) in Wiesbaden von 2015 steht die junge Familie heute vor dem Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Zwar lehnen knapp 30 % das Alleinverdienermodell ab, leben es zu Hause aber doch. Beobachtet wird hiernach auch eine Retraditionalisierung. Mehr als 3/4 der Befragten sind der Meinung, dass Mütter nachmittags zu Hause sein sollten und Zeit für ihre Kinder haben sollten.
Selbst Paare, die bis zur Geburt eine gleichberechtigte Partnerschaft geführt haben, fallen danach zurück in klassische Rollen. Dies ist für Mütter wie Väter dauerhaft unbefriedigend.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im März diesen Jahres bekannt gegeben, dass es herausgefunden habe, dass in Familien, in denen beide in Vollzeit oder Teilzeit arbeiten praktisch jede Frau Hausarbeit leistet, bei den Männern waren es nur 2 von 3.
Wenn berufstätige Frauen die Kinder 6 ,5 Std täglich betreuen, tun dies Männer - ähnlich wie vor 10 Jahren - nur 2,5 Std.
Gemäß einer Untersuchung des BMFSFJ, Bundesministerium für Familie Senioren Frauen und Jugend, durch das DELTA Institut für Sozial- und Ökologieforschung mit der Studie Mitten im Leben, sind trotz Berufsqualifikation nur 39 % der Frauen im Alter von 30-50 Jahren in Vollzeit erwerbstätig, aber 88 % der Männer.
Ein eigenes Nettoeinkommen über 2000 € haben nur 10 % der Frauen, aber 42 % der Männer im gleichen Alter. Die Entgeltkluft zwischen Frauen und Männern steigt im Alter von 30 und 50 Lebens-jahren von 9 % auf 27 %.
Viele Frauen werden zunehmend vom Einkommen ihres Partners oder staatlichen Transferleistungen ökonomisch abhängig.
Ursachen sind zum einen der immer noch bestehende Mangel an Kleinkindbetreuung, die widrigen Bedingungen für den Widereinstieg in den Job, sowie die aktuelle Familien- und Wirtschaftspolitik, die immer noch auf das Alleinverdienermodell abstellt.
Ehegattensplitting, Gender Pay Gap, fehlende flexible Arbeitszeiten oder Arbeitsort, z.B. Home Office
Selbst das Elterngeld hilft wenig. Gem. dem Statistischen Bundesamt von 2013 bezogen 80% der Väter in Elternzeit Elterngeld für lediglich 2 Monate. Der Hauptanteil der Elternzeit wird von Müttern erbracht.
Maßgeblich trägt auch das alte Rollenbild der Hausfrauenehe zu dieser Entwicklung bei. Zwar hat der Gesetzgeber ein Eheleitbild im Grundgesetz 1949 bewusst nicht festgelegt, sondern den Ehegatten die Wahl der Ehetypen freigestellt.
Dennoch blieb die Hausfrauenehe gelebte Realität.
Schließlich war das traditionelle Rollenbild im BGB seit 1900 geregelt und hat sich in der Gesellschaft fest verankert.
Erst 1977 wurde im BGB festgelegt, dass die Ehegatten die Haushaltsführung einvernehmlich regeln.
Das Bundesverfassungsgericht hat dann in 2002 festgestellt, dass das der früheren Haushaltsführung zu Grunde liegende Ehebild überholt sei. In der Regel, so hieß es dort, geht man heute bei Kinderer-ziehung von einer Doppelverdienerehe mit zeitweiliger Aussetzung der Berufstätigkeit wegen Kin-derbetreuung bzw. von einer Aneinanderreihung von Ehetypen aus.
Doppelverdienerehe, Haushaltsführungsehe, Doppelverdienerehe.
Diese klaren Rollenbilder, die gesetzlich bis vor 40 Jahren festgelegt waren, wurden den heute jungen Paaren meist vorgelebt und gaben und geben immer noch Sicherheit und Halt.

Spätestens bei Scheidung wirkt sich das aber zum Teil gravierend für den bertreuenden Elternteil, meist Frauen, aus.
Seit der Reform zum Unterhaltsrecht im Jahr 2008 hat sich die Situation gerade für alleinerziehende Mütter wesentlich verschlechtert.
Oberster Grundsatz ist nun die Eigenverantwortlichkeit von Ehegatten.
Der Betreuungsunterhalt § 1570 BGB wird nur noch in den ersten 3 Jahren nach Geburt eines Kindes gewährt.
Diese Entscheidung des Gesetzgebers fiel, als das Verfassungsgericht am 28.02.2007 den Gesetzge-ber anwies, die nichtehelichen Kinder den ehelichen gleichzustellen. Es wurden aber dann vom Ge-setzgeber in der Dauer der Betreuung die ehelichen den nichtehelichen angepasst und der Zeitraum von den geplanten 6 Jahren verkürzt, was ein ganz klares Signal dafür war, dass die Haushaltsfüh-rungsehe aufzugeben ist.
Nach den 3 Jahren müssen kindbezogene Gründe oder elternbezogene Gründe vorliegen, damit Betreuungsunterhalt gewährt wird. Und die Betreuung durch eine öffentliche Einrichtung, so der BGH, hat Vorrang vor der eigenen Betreuung.
Mütter sind so häufig Dreifachbelastung ausgesetzt und erleben unvereinbare Widersprüche, die Brüche und Umwege im Lebenslauf nach sich ziehen. Ein systematischer Karriereaufbau ist schwer möglich. Dies ist auch ein Faktor, der eine gleichberechtigte Teilhabe und Repräsentation von Frauen in gehobenen oder Führungspositionen verhindert.
Wir, in der Beratungsstelle Tusch, Trennung und Scheidung, plädieren dafür, dass Väter mehr Zeit für Kinder aufwenden und auch aufwenden können. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen hierfür soll-ten geschaffen werden.
Kommen wir nun zur nächsten Familienkonstellation und deren Problemen, der Stieffamilie.
Die Stieffamilie ist eine um Dauer bemühte Lebensgemeinschaft, in der mindestens einer der Part-ner mindestens ein Kind aus einer früheren Partnerschaft mitbringt, wobei das Kind bzw. die Kinder zeitweise auch im Haushalt des jeweils zweiten leiblichen Elternteils leben kann bzw. können. (Döring 2002:50)
Die Stieffamilie ist keine neue Familienform. Die Stieffamilie war bereits früher verbreitet und wurde regelmäßig durch den Tod begründet.
Im Unterschied zum verstorbenen Elternteil, der durch den sozialen Elternteil ersetzt wird, tritt bei Scheidung zum biologischen Elternteil ein sozialer Elternteil hinzu, was zu einer größeren Vielfalt aber auch zu erheblichen Spannungen und Konflikten führen kann.
In der Alltagssprache ist die Stieffamilie eher negativ besetzt. Sie alle kennen die Märchen um die böse Stiefmutter, was oft auch für den Stiefvater gilt.
Im Gegensatz zum Klischee, wo die bösen Stiefeltern in die heile Welt der Kinder eindringen, sind die Beziehungen zwischen Stiefeltern und Stiefkindern ebenso vielfältig wie die Beziehungen selbst und in vielen Fällen geprägt von emotionaler und sozialer Unterstützung.
Die Stieffamilie ist bereits die dritthäufigste Familienkonstellation in Deutschland. Jede siebte Familie in Deutschland ist eine Stieffamilie.
50 % der Ehen werden innerhalb der ersten sieben Jahre geschieden. Mehr als die Hälfte der geschiedenen Mütter und Väter haben nach einem Jahr wieder einen neuen Partner.
Hierdurch entsteht eine Vielzahl von verschiedenen Familienkonstellationen.
Als Stieffamilie gibt es sowohl verheiratete Paare, nichteheliche Lebensgemeinschaften, eheliche oder nichteheliche Paare mit getrennten Haushalten ( Living -Apart -Together )sowie Alleinerziehende.
In der Wissenschaft werden sie danach typisiert, ob es sich um eine einfache, zusammengesetzte oder komplexe Stieffamilie handelt.
Die einfache Stieffamilie ist wenn ein biologischer Elternteil neben dem Kind bzw. den Kindern im Haushalt lebt.
Zusammengesetzte Stieffamilie ist, wenn beide Erwachsene Kinder haben, die im gemeinsamen Haushalt leben, aber keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind.
Die komplexe Familie, auch Patchworkfamilie bezeichnet, ist eine Familie, bei der Kinder aus vorhe-rigen Partnerschaften und gemeinsame Kinder im Haushalt leben.

Rechtliche Probleme der Stieffamilien
Der Name des Kindes bleibt auch bei neuer Heirat.
Kinder behalten grundsätzlich ihren Geburtsnamen. Der Nachname ist ein Teil der Identität für ein Kind und kann die Integration in die neue Familie erschweren.
Eine Einbenennung ist dann, wenn es dem Kind Schwierigkeiten bereitet, nach § 1618 BGB möglich. Kinder, die älter als 5 Jahre sind haben ein Mitspracherecht. Die Einbenennung ist dann aber endgültig.
Ein Mitspracherecht hinsichtlich der elterlichen Sorge hat der neue soziale Elternteil nicht. Das sog. kleine Sorgerecht, das seit 2001 eingeführt ist, gibt es nur, wenn ein Elternteil die alleinige Sorge hat.
Ist dies nicht der Fall, helfen nur Vollmachten, den Stiefelternteil mehr Rechte einzuräumen. Z.B. in schulischen Fragen, Ausbildungs- oder medizinischen Fragen.
Unterhaltsansprüche bestehen nur zwischen Verwandten in gerader Linie, § 1601 BGB. Nachdem ein Verwandtschaftsverhältnis zum Stiefelternteil nicht besteht, gibt es auch keinen Kindesunterhaltsan-spruch.
Dieser ist dem leiblichen Elternteil gegenüber geltend zu machen.
Ein Umgangsrecht steht dem Stiefelternteil bei Trennung nach § 1685 Abs.2 BGB zu, wenn der regelmäßige Umgang dem Kindeswohl dient.
Eigene Regelungen, bis auf das kleine Sorgerecht, gibt es für Stief- und Patchworkfamilien nicht. Obwohl der soziale Elternteil mit dem Kind zusammenlebt und wesentliche Aufgaben übernimmt, ist er ohne Vollmacht für das Kind nicht handlungsfähig. Dass die Vollmachterteilung oftmals schwierig ist, steht außer Frage.
Eine gesetzliche Regelung könnte Erleichterung schaffen. Dies könnte Entlastung nicht nur für jeden Einzelnen in der Familie sein, bei entsprechender Aufgabenverteilung z.B., sondern auch für die Kin-der.
Ein lockerer Umgang würde auch manches erleichtern, so könnte man, wie in anderen Ländern auch z.B. Doppelnamen für die Kinder einführen.
Das Festhalten am traditionellen Elternbegriff von dem Vater und der Mutter, lässt dem Gesetzgeber nur zögerlich Veränderungen herbeiführen.
Noch mehr sehen wir das bei der Regenbogenfamilie, die von der Rechtsentwicklung heute am spannendsten ist und den Begriff Familie am stärksten in Frage stellt und wohl verändert.
Regenbogenfamilien sind Familien, bei denen Kinder mit gleichgeschlechtlichen Partnerinnen oder Partnern zusammen leben.
In einer einstimmigen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht am 19.02.2015 festgestellt, dass eingetragene Lebenspartner, die mit dem leiblichen oder angenommenen Kind eines Lebens-partners in sozial familiärer Gemeinschaft leben, eine durch Art. 6 GG geschützte Familie im Sinne des Grundgesetzes bilden. (BVerf GE 133,59)
Werden Kinder in die Partnerschaft mitgebracht, wird es also als Familie akzeptiert und es gelten die Regeln der Stieffamilie.
Rechtlich problematisch sind die geplanten gleichgeschlechtlichen Familien.
Die moderne Reproduktionsmedizin lässt die Kinderwünsche von lesbischen und schwulen Paaren erfüllen. Was ist aber zu tun mit zwei Müttern oder zwei Vätern?
Dies ist ein eklatanter Widerspruch zum traditionellen Bild der Familie die von einem Vater und einer Mutter ausgeht.
Gem. § 1591 BGB ist rechtliche Mutter eines Kindes die Frau, die es geboren hat. Das Verwandtschaftsverhältnis der Mutter wird also durch Geburt begründet.
Die sog. genetische Mutterschaft, woher die Eizelle kommt, ist rechtlich nicht relevant.
Gem. § 1592 BGB ist rechtlicher Vater eines Kindes

  • der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war
  • der die Vaterschaft anerkannt hat
  • oder dessen Vaterschaft nach § 1600 d BGB oder 182 I FamFG gerichtlich festgestellt wurde.

Eine Co-Mutter- oder Vaterschaft, Mitmutterschaft oder eine Mitvaterschaft ist dem deutschen Recht völlig fremd.
Es gibt auch keine Elternschaftsvermutung, wie etwa eine Vaterschaftsvermutung.
In anderen europäischen Ländern, wie z.B. Norwegen, Belgien und Dänemark ist dies möglich. Dort werden rechtlich beide Mütter gleichermaßen als Mutter anerkannt.
In Großbritannien, Nordirland, Island und Schweden wird die Partnerin nach Anerkennung ihrer Elternstellung vom Gesetzgeber einfach als Elternteil bezeichnet.
Der deutsche Gesetzgeber tut sich hier schwer.
Beim geplanten Kinderwunsch ergeben sich nun folgende Probleme:
Zwar sind nach deutschem Recht die private und die anonyme Samenspende zulässig. Dann wird der Vater wie der rechtliche Vater behandelt und die Gebärende ist Mutter. Die sog. Co- Mutter hat keinerlei Rechte.
Immerhin wurde für die Fälle der anonymen Samenspende die Frage des Unterhaltes geregelt:
Im Jahr 2002 wurde § 1600 Abs. 2 BGB eingeführt, wonach die Anfechtung der Vaterschaft ausge-schlossen ist, wenn beide Ehegatten oder unverheiratete Partner die Insemination gewünscht haben und in sie eingewilligt haben.
Die Frage des Unterhaltes für das Kind, die grundsätzlich Vorrang hat, ist damit geklärt.
Verboten sind nach dem ESCHG, Embryonenschutzgesetz, die Eizellenspende und die Ersatz- "Leih-mutterschaft" § 1 I Nr.7 ESchG.
Um sich den Kinderwunsch zu erfüllen, müssen Paare somit ins Ausland gehen.
In einem gerichtlich entschiedenen Fall war es ein schwules Paar, das sich den Kinderwunsch durch eine amerikanische Leihmutter erfüllte.
Obwohl sie in Deutschland verboten ist, hat der BGH in der Entscheidung vom 10.12.2014 BGH Z 203, 350 die ausländische Leihmutterschaft anerkannt.
Es musste von einem deutschen Standesamt die Auslandsgeburt gem. § 36 PstG nachbeurkundet werden. Der BGH hat schließlich das Interesse des Kindes und sein Recht ein Abstammungsverhältnis zu einem weiteren Elternteil zu begründen in den Vordergrund gestellt. Es hat beide Partner, also beide Väter als Eltern im Geburtenregister eingetragen.
Lesbische Paare sind zur Erfüllung des Kinderwunsches auf eine Samenspende angewiesen.
Nun behelfen sich manche auch durch Eizellenspenden der Lebenspartnerin im Ausland, weil es in anderen Ländern erlaubt ist und weil eine Elternschaft kraft Gesetz für eingetragene Lebenspartner begründet werden kann.
Eine Beschwerde hierzu ist noch beim BGH anhängig. Eine Feststellungsklage, dass die Lebenspartnerin analog § 1592 BGB Mutter sei, ist vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Der Ausgang dieser Verfahren bleibt abzuwarten und ist spannend.
Selbst mit der Adoption hat der Gesetzgeber Schwierigkeiten. Eine Adoption könnte abhelfen, um seitens der Lebenspartnerin oder des Partners eine Mitsprache und gesetzliche Verpflichtung dem Kind gegenüber zu erreichen. Sie war für gleichgeschlechtliche Paare zunächst grundsätzlich nicht möglich, wurde aber nach einer Verfassungsbeschwerde dem Gesetzgeber innerhalb einer Frist auf-gegeben zu ändern. Die Änderung erfolgte nur für leibliche Kinder, die sog. Sukzessivadoption. § 9 VII 1 LPartG.
Es wäre ein Leichtes gewesen, bei dieser Änderung auch die gemeinsame Adoption zuzulassen.
Dies ist dem Gesetzgeber, der wohl noch an alten tradierten Familienmodellen hängt, trotz Forderungen vieler Verbände nicht gelungen.
So wird es wohl noch eine Zeit dauern bis der Gesetzgeber vom alten Familien- und Elternbegriff abrückt und die Gesetzeslage den neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten anpasst.
Es wurde zwar bereits am 09.02.2015 vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ein Arbeitskreis Abstammungsrecht eingesetzt, der den Veränderungsbedarf im Hinblick auf das vorherrschende Familienbild prüfen soll. Da mit Ergebnissen nicht vor Ende 2016 zu rechnen ist, wird eine gesetzliche Anpassung in dieser Legislaturperiode sehr unwahrscheinlich.
Ich vermute, dass es wieder einmal das Verfassungsgericht sein wird, das dem Gesetzgeber aufgeben wird, was zu tun ist.
In diesem Zusammenhang sind wohl die aktuellen politischen Strömungen, die zurück zur traditionellen Familie gehen, eine Kraft, die aus rein wahltaktischen Gründen notwendige Veränderungen verhindern.
Es wäre zu begrüßen, wenn wir die Strömungen und Entwicklungen als Bereicherung für Familie sehen könnten in dem immer noch ein bestimmter Müttermythos herrscht, der schon beim gedanklichen Vorhandensein von 2 Müttern möglicherweise an Gewicht verliert.
Bereicherung kann es schließlich auch für die Kinder sein, die von der Vielfalt der sie umgebenden Menschen profitieren können und sich von allen das holen können, was sie brauchen.

Familie im digitalen Zeitalter

Was macht Familie aus, was schützt unsere Kinder.
Familie gibt Kindern eine Privat- und Intimsphäre. Die Unverletzlichkeit der Intim- und Privatsphäre, gerade auch der räumlichen, folgt einer rechtlichen Tradition, die Jahrtausende zurückreicht. Das Wohnzimmer galt der Familie.
Der Schutz der Privat- und Intimsphäre als Grundrecht und Menschenrecht gibt ein Recht für eine selbstbestimmte Lebensführung und offene Kommunikation.
Es ist auch in der allgemeinen Erklärung für Menschenrechte (AEMR), von den Vereinten Nationen 1948 zum ersten Mal als ein völkerrechtliches Dokument geschaffen und in der Europäischen Men-schenrechtskonvention Art. 8 EMKR enthalten.
Dort wird vor allem das Privat- und Familienleben geschützt.
Geschützt ist damit ein Bereich, in dem eine verlässliche Beziehungskultur zwischen den Menschen entstehen kann, wo gewachsene und kraftvolle Bindungen möglich sind.
Der Schutz der räumlichen Privatheit Art. 13 Abs. 1 und 3 GG, Art. 1 Abs. 1 GG, wurde durch Urteil des BVerfG im März 2004 als unantastbarer Kernbereich zu respektieren bestätigt, der durch Wan-zen, teleskopische Beobachtungen und durch Späh- und Lauschangriffe unsicher geworden ist.
Umso mehr erstaunt, dass diese geschützte Privatheit von den Familien heute selbst aufgegeben wird. Das Familienleben ist virtuell geworden und wird es zunehmend. Das Wohnzimmer wird der Öffentlichkeit preisgegeben und nicht nur das:
Schon vor der Geburt des Kindes werden Ultraschallfotos gepostet und die Geburt selbst wird auch eingestellt ins Netz.
Mehrere tausend Eltern in Deutschland berichten zunehmend über ihre Familie und Kinder in allen Lebenslagen in Internetblogs. Ungehemmt werden in Talkshows und speziellen Fernsehsendungen von Privatsendern die intimsten Dinge der Familie öffentlich gemacht und bewertet.
Im April 2016 gab es die erste Elternblogger-Konferenz in Nürnberg. Severine Bonini mit mamaontherocks.com zählt sich mit 30000 Aufrufen pro Jahr stolz im Mittelfeld der Mamabloggerinnen. Daneben gibt es z.B. Mammaarbeitet.de, meworkingmom.com, etc.
Interessant ist, dass es mehr Mamabloggerinnen gibt als Papablogger.
Ich verkenne nicht, dass es ein wichtiges Element ist, sich gerade als Mütter auszutauschen, Erfah-rungen miteinander zu kommunizieren und sich gegenseitig Unterstützung zu geben. Sicher kann dies zu einer großen Entlastung untereinander führen.
Bedenklich halte ich, dass die Kommunikation für jedermann zugänglich sein muss und nicht in einem geschützten Rahmen erfolgen kann.
Wenn nämlich Privates unbedenklich öffentlich gemacht wird, ist der geschützte Bereich, der Rückzug ins Private, nicht mehr möglich.
Schließlich will man wissen, wie es bei anderen Familien zugeht und man gibt alles Preis im Netz was angenehm und manchmal - zumindest den Kindern - auch unangenehm, ja peinlich ist.
Welche Entwicklung das für die kommende Generation nimmt, welche Reaktionen folgen und wie sich dieses Verhalten auf Familie überhaupt auswirkt, werden wir sehen. Es wundert nicht, wenn einer amerikanischen Umfrage von Kindern unter 17 zu Folge, die Kids von ihren „knipsverrückten Eltern“ genervt sind.
Und nicht nur das, es werden Kinderbilder gedankenlos von den Eltern gepostet im Netz.
Es besteht die große Gefahr, dass Kinderfotos auf wildfremden Seiten auftauchen, wie z.B. Anfang Mai 2016, als ein mittlerweile gesperrter Kinderbasar im Netz auftauchte. Netzwerkaktivisten wollten deutlich machen, wie schnell sich eine Sammelseite veröffentlichen lässt.
Wir wissen alle, wie gefährlich dies sein kann für die Kinder, sei es in Bezug auf Mobbing oder wenn pädophil veranlagte Menschen Zugang zu den Fotos erhalten.
Rechtlich gibt es hiergegen eine Handhabe seitens der Kinder, wie auch seitens der Jugendämter.
Kinder können gegen ihre Eltern vorgehen. Der Schutz der personenbezogenen Daten der Kinder gründet sich auf dem Grundgesetz auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 1 G2 Abs. I i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Auch Kinder haben ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 1 G2 Abs. I i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.
Kinder können also selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten entscheiden und bestimmen. Dazu gehört auch das Recht am eigenen Bild.
Gem. § 22 und § 23 des Kunsturheberrechtsgesetzes KunstURHG, dürfen Fotos nicht ohne Einwilli-gung des Abgebildeten verbreitet oder zur Schau gestellt werden.
Bei Kindern bis 7 Jahren sind die Eltern für die Kinder alleine entscheidungsbefugt, ob eine Abbildung veröffentlicht oder ins Netz gestellt werden darf.
Zwischen 8 und 17 hängt es vom Entwicklungsstand desjeweiligen Kindes ab, ob sozusagen eine Einsichtsfähigkeit erreicht ist.
Von der erreichten Einsichtsfähigkeit kann i.d.R. ab 14 Jahren ausgegangen werden.
Unabhängig davon sollten Eltern ihr Kind vorab fragen, ob es mit einer Veröffentlichung einverstan-den ist.
Ansonsten könnten Klagen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf informelle Selbstbestimmung mit der Folge von Schadenersatz drohen.
In Frankreich gab es dabei Schadenersatzforderungen von 45.000 €, was bei uns aber nicht realistisch sein dürfte.
Das Jugendamt selbst kann eingreifen, wenn es z.B. bei Nacktaufnahmen eine Kindeswohlgefährdung gem. § 1666 BGB sieht und den Eltern Maßnahmen aufgeben.
Ich meinerseits plädiere hier für mehr Aufklärung. Die Polizei in Nordrhein Westfalen hat kürzlich eine Kampagne gestartet und die Eltern auf die Rechte der Kinder hingewiesen und aufgefordert es zu unterlassen Fotos auf Facebook und Co von ihren Kindern zu starten.
Dies ist ein gutes Beispiel und sollte für alle anwesenden Verbände und Vereine ein Anstoß sein, entsprechendes in München auch in Angriff zu nehmen.
In diesem Sinne wünsche ich anregende Gespräche und vielleicht das Gelingen eines neuen Aktions-bündnisses.


Renate Maltry
Rechtsanwältin
Fachanwältin Familienrecht
Fachanwältin Erbrecht


Familie im Wandel

Googelt man den Begriff Familie, so findet man immerhin 81.600 Ergebnisse.

Der Begriff Familie ist lateinischen Ursprungs und steht für familia was „Hausgemeinschaft“ bedeutet.

Soziologisch ist Familie eine durch Partnerschaft, Heirat oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft. Hiernach erbringen Familien zentrale gesellschaftliche Leistungen. Von Generation zu Generation geben sie Fähigkeiten und Kenntnisse weiter, die einer Gesellschaft wirtschaftliches, soziales und kulturelles Handeln ermöglichen.

Seit 1990 hat sich die Familie Deutschland einem großen Wandel unterzogen.

Lassen Sie sich mitnehmen auf eine Zeitreise durch das Familienrecht des letzten Jahrhunderts, wo der Wandel besonders deutlich wird. Gemessen an der Menschheitsgeschichte ist dieser Zeitraum ein Hauch, ein Wimpernschlag, die in dieser Zeit erfolgten Veränderungen gravierend.

Das Familienrecht, so heißt es, spiegelt traditionell gesellschaftliche Veränderungen wieder, ist Spiegelbild der Gesellschaft. Tatsächlich spiegelt es nicht immer die soziale Wirklichkeit wieder. Das Gesetz ist jedoch notwendige Voraussetzung um Gesellschaft zu gestalten, eine Gesellschaft in der Frauen und Männer gleiche Rechte und Lebenschancen haben sollen.

Gehen wir zurück zum BGB von 1900. Gegen den Widerstand des sog. Frauenlandsturmes, allen voran Anita Augspurg, die dem Reichstag eine Resolution mit 25000 Unterschriften übergab, trat das BGB zum 01. Januar in Kraft und zementierte jahrhunderte alte patriarchale Normen.

Nach damaligem Recht oblag dem Ehemann die übergeordnete Stellung.

Dem Ehemann, als Oberhaupt der Familie, stand die Entscheidung in allen, das gemeinschaftliche Eheleben betreffenden Angelegenheiten alleine zu.

Er konnte entscheiden über die Wohnung und den Wohnort der Ehefrau.

Selbst das Vermögen der Ehefrau oblag der Verwaltung und der Nutznießung des Ehemannes.

Die Ehefrau konnte ohne Einwilligung und Genehmigung des Ehemannes nicht einmal über das von ihr eingebrachte Gut wirksam verfügen.

Interessant ist auch, dass dem Ehemann sogar die Befugnis eingeräumt wurde, ein Dienstverhältnis der Ehefrau zu kündigen.

Die elterliche Gewalt stand dem Vater alleine zu. Dies war häufig ein Grund dafür, dass sich Frauen in dieser Zeit einfach nicht scheiden ließen. Welche Frau wollte schon, dass sie ihre Kinder durch Scheidung verliert.

Ganz klar ging das Bürgerliche Gesetzbuch von damals von der Hausfrauenehe aus. Die Frau war verpflichtet den Haushalt zu führen, soweit diese Tätigkeit nach den Verhältnissen der Ehegatten üblich war. Sie hat die Tätigkeit ohne Anspruch auf Entlohnung und sozialer Absicherung auszuüben. Familienname war der Name des Mannes.

Die Scheidung, die faktisch nicht vorkam, war vom Schuldprinzip geprägt. Scheidungsgründe waren das böswillige Verlassen oder der Ehebruch.

Auch in der NS Zeit blieb die Rechtsstellung der Frau hierarchisch. Die Rolle der Frau war bestimmt als Hausfrau und Mutter. Änderungen waren lediglich geprägt von der Ideologie des Nationalsozialismus und der Idee der rassenreinen Ehe.

Wer nun glauben möchte, dass nach 1945 völlig andere Regelungen eintraten, geht fehl. Die Entwicklung nahm nur langsam seinen Lauf.

Aufgehoben wurde das bis dahin geltende Ehegesetz im Jahre 1946.

Im Jahre 1949 waren es einige mutige Frauen, insbesondere Elisabeth Selbert, denen es zu verdanken ist, dass durch ihre Zähigkeit gegen den Wiederstand vieler Männer der Grundsatz Männer und Frauen sind gleichberechtigt im Grundgesetz aufgenommen wurde.

Die Frist zur Umsetzung sollte spätestens zum 31.März 1953 erfolgen. Auf fast allen Rechtsgebieten ließ der Gesetzgeber die Frist jedoch ungenutzt verstreichen.

Eine wesentliche Änderung, wie die Aufhebung der elterlichen Gewalt des Vaters und die Einführung der Zugewinngemeinschaft wurden erst im Gleichberechtigungsgesetz von 18.06.1957, das am 01.07.1958 in Kraft trat, vorgenommen. Scharenweise liefen Männer damals vor Ablauf dieses Termins zu Notaren und erklärten die Gütertrennung, die sie bis dahin alleine bestimmen konnten. Interessant ist auch, dass das Gesetz bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern die Sorge betreffend den Stichentscheid des Vaters, der das letzte Wort hatte, erhielt. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Stichentscheid 1 Jahr später auf Betreiben des Deutschen Juristinnenbundes für verfassungswidrig erklärt.

Der Gesetzgeber hat die Hausfrauenrolle im Grundgesetz in Art. 6 GG nicht manifestiert, vielmehr hat er den Ehegatten die Wahl des Ehetypus freigestellt war. Traditionell wählten jedoch die meisten die Hausfrauenehe.

In § 1356 I BGB war nämlich geregelt, dass die Frau den Haushalt in eigener Verantwortung führt. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbart ist.

In einer der führenden Kommentierungen zu § 1356 BGB von 1975 – immerhin nur vor 35 Jahren – heißt es dazu: „Die Bestimmung stellt fest, dass die Ehefrau grundsätzlich erwerbstätig sein kann: Sie bedarf also dazu nicht der Genehmigung des Ehemannes. Natürlich hat sie aber die Pflicht, bei einem so einschneidenden Schritt den Ehemann zu verständigen; Davon abgesehen liegen ihren Pflichten in der Ehe und Familie Beschränkungen auf: Sie dürfen durch die Berufstätigkeit nicht leiden. Sie stehen an 1. Stelle. Der Frau wird also regelmäßig verwehrt sein, an einem Ort oder an anderer Stelle, die sie den ganzen Tag vom Hause fern hält, eine Tätigkeit aufzunehmen. Sie kann auch nicht die Haushaltführung als solche einem Dritten übertragen, selbst wenn sie die Kosten hierfür trägt.“

Wohlgemerkt dies ist eine Kommentierung aus dem Jahre 1975. Es waren 26 Jahre vergangen seit der Einführung des Gleichberechtigungsgrundsatzes in der Verfassung und 18 Jahre seit dem Gleichberechtigungsgesetz von 1957.

Unangetastet blieb also das Bild der „Hausfrauenehe“, somit die gesetzlich festgelegte Rollenverteilung. Der Prozentsatz der verheirateten berufstätigen Frauen stieg dagegen seit Kriegsende von 25 % im Jahre 1950, auf 39,5 % 1971, und 43,35 % 1979.

Erst durch das erste Gesetz zur Reform des Ehe- Familienrechts im Jahre 1977, wurde im BGB festgelegt, dass die Ehegatten die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen regeln.

In den meisten Fällen sah diese Regelung wiederum so aus, dass die Hausfrauenehe gelebte Realität blieb.

Diese wurde auch durch das Unterhaltsrecht manifestiert. Dauerhafter, lebenslanger Unterhalt war relativ häufig.

Beim Betreuungsunterhalt galt das sog. 0/8/15 Modell, das heißt erst ab 8 Jahren musste die betreuende Mutter einer Teilzeittätigkeit nachgehen, ab 15 Jahren einer Ganztagstätigkeit.

Die Frauen, die zum damaligen Zeitpunkt geheiratet haben und ihre Erwerbstätigkeit aufgaben, wussten sich versorgt. Sie haben dieses Modell gewählt, weil sie auf die Ehe vertrauten. 

Es galt der Grundsatz der Versorger-Ehe. Und die Erstfrau hatte den absoluten Vorrang hinsichtlich der nachehelichen Unterhaltsleistungen. Die sog. Zweitfrau wusste, so war der Grundsatz, worauf sie sich einlässt.

Wurden Frauen zum damaligen Zeitpunkt berufstätig, wurden ihnen die eigenen Einkünfte angerechnet, sodass sie häufig nach einer Erwerbstätigkeit keinen Unterhalt oder nur einen geringen Unterhalt erhielten. Ein Anreiz zur Erwerbstätigkeit war dies nicht.

Erstmals 2001, also erst nach der Jahrtausendwende, gab der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung auf mit dem Hinweis, die Anrechnungsmethode wäre der Gleichwertigkeit nicht gerecht und trage dem gewandelten Ehebild nicht Rechnung.

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2002.

Ich zitiere:

Das der früheren Rechtsprechung zugrundeliegende Ehebild der Haushaltsführung, so hieß es dort, ist inzwischen weitgehend überholt. In der Regel geht man heute auch bei Kinderbetreuung von einer Doppelverdienerehe mit zeitweiliger Aussetzung der Berufstätigkeit wg. Kinderbetreuung aus, bzw. und dieser Begriff fiel nun auch erstmals einer Aneinanderreihung von Ehetyen, also Doppelverdienerehe, Hausfrauenehe, wiederum Doppelverdienerehe.

Und damit sind wir bei meiner Zeitreise im hier und jetzt angelangt.

Ab diesem Zeitpunkt gab es Bestrebungen, das Unterhaltsrecht zu reformieren.

Der Wertewandel in der Gesellschaft, die Änderung des Ehebildes, waren als Gründe angegeben, die den Gesetzgeber zur Unterhaltsreform veranlassten.

Genannt wurde auch die Akzeptanz des Grundsatzes der Eigenverantwortung in der Ehe, der Scheidungswunsch der Frauen, also die größere Unabhängigkeit.

Dies zeigten angeblich auch die vielen alleinerziehenden Frauen 85 % und Männer 14,5 % in dem Jahr 2003.

Notwendig wurde die Reform ferner, so die Begründung des Gesetzes, weil die Zahl der Scheidungen wie auch der kurzen Ehen stieg, 50 % der Paare kinderlos seien, und es mehr Zweitfamilien gebe.

Ziel des neuen Unterhaltsrechts war neben der Stärkung der nachehelichen Verantwortung auch die Förderung des Kindeswohls.

Als Wohlfahrtsstaat können wir uns Kinder in der Sozialhilfe nicht leisten und 2003 waren immerhin 1,8 Millionen Kinder Sozialhilfeempfänger, das waren 38 %.

Überraschend für alle wurde der nacheheliche Betreuungsunterhalt so geregelt, dass es einen Basisunterhalt für den Zeitraum von 3 Jahren gibt. Angesichts des bisher tradierten Rollenverständnisses eine Sensation.

Dem vorausgegangen ist wiederum eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.02.2007. In dieser Entscheidung erklärte das Verfassungsgericht, dass ein nicht eheliches Kind nicht schlechter betreut werden dürfe als ein eheliches Kind. Die nichteheliche Mutter erhielt zum damaligen Zeitpunkt für 3 Jahre Unterhalt für ihr Kind, in Ausnahmefällen für 5 Jahre. Der Betreuungsunterhalt für eine Mutter eines ehelichen Kindes galt nach dem bereits erwähnten 08/15-Prinzip.

Nun war der Gesetzgeber gefordert, eine entsprechende Regelung zu treffen. Nicht etwa, dass man die nichtehelichen Kinder den ehelichen Kindern angeglichen hätte, nein, es wurde der nacheheliche Betreuungsunterhalt den nichtehelichen angeglichen.

Viele Gerichte wandten zunächst weiter das Altersphasenmodell an. Letztendlich hat der BGH in einer Entscheidung vom 18.03.2009 klar dargelegt, dass es keine Altersphasenre-gelung mehr gibt, d.h. es gibt einen Basisunterhalt bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes, nach 3 Jahren des Kindes gibt es einen kindbezogenen Billigkeitsunterhalt. Daneben gibt es den elternbezogenen Billigkeitsunterhalt, d.h. weitere Umstände, wie nacheheliche Solidarität, praktizierte Rollenverteilung und gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung können Berücksichtigung finden.

Eindeutig hat sich der BGH dafür ausgesprochen, dass der Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber kindergerechter anderer Betreuung, also Betreuung in öffentlichen Einrichtungen aufgegeben wird. Auch dies ist eine einzigartige außergewöhnliche Entscheidung gewesen.

Denken wir an unsere Zeitreise, so wäre es vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen, dass man Mütter auf öffentlichen Einrichtungen zur Betreuung ihrer Kinder verweist.

Der Begriff der Rabenmutter ist uns allen noch geläufig.

Geändert wurden ferner die Rangfolgen der Unterhaltsverpflichteten.

So sind nach neuem Gesetz minderjährige, unverheiratete, Kinder, egal ob ehelich oder nicht ehelich und privilegierte volljährige Kinder, d.h. Kinder, die noch zuhause betreut werden, an erster Rangstelle. Sie werden bei der Berechnung des Unterhaltes vorrangig abgezogen. Das weitere wichtige Ziel des Gesetzgebers, die Förderung des Kindeswohls sollte mit dieser Änderung erreicht werden.

An zweiter Rangstelle ist nicht mehr die Erstfrau, sondern sind Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Falle einer Scheidung wären sowie Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer.

D.h., dass alle kinderbetreuenden Mütter in den zweiten Rang fallen und im gleichen Rang stehen wie die Erstfrau. Diese ist aber wieder verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, was zur Folge hat, dass die zu Verfügung stehenden Einkünfte durch drei Personen geteilt werden und die Erstfrau häufig keinen Unterhalt mehr erhält.

Hinzu kommt, dass sich die ehelichen Lebensverhältnisse geändert haben, was hier wieder eine entscheidende Rolle spielt. Früher wurde bei der Bemessung des Unterhalts abgestellt auf die ehelichen Lebensverhältnisse. Maßgeblich war, welche Einkünfte die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben. Entscheidender Zeitpunkt war die Rechtskraft der Scheidung. Nach einem Urteil des BGH vom 17.12.2008 sind die ehelichen Lebensverhältnisse stets wandelbar. Eine Lebensstandardgarantie gibt es nicht mehr.

Der Gesetzgeber selbst hat in der Unterhaltsreform geregelt, dass es nach der Scheidung jedem Ehegatten obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung. Wenn er hierzu außer Stande ist, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt.

Darüber hinaus kann der Unterhalt herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden. Die Oberlandesgerichte München gehen derzeit davon aus, dass der Unterhalt für einen Zeitraum von 1/3 bzw. 1/4 der Ehezeit bezahlt wird. 

Der Unterhaltsberechtigte muss sich darauf einstellen, dass er so gestellt wird wie er war, als er geheiratet hat. Die fortwirkende Verantwortung erfordert es, lediglich die Nachteile auszugleichen, die dadurch entstehen, dass der Berechtigte in Folge der Ehe nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann. Die Beweislast hierfür obliegt demjenigen, der den Nachteil erlitten hat. Dies ist wiederum schwierig. Wie soll nämlich z.B. eine Frau, die Kinder betreut hat, nachweisen, welche Karriereleiter sie erklommen hätte, wenn sie tatsächlich die Kinder nicht betreut hätte. Nach wie vor gehen auch immer noch viele Frauen mit den Männern, die die Karriereleiter erklimmen, mit, ziehen um und gehen ins Ausland und verlieren somit ihre Erwerbs- und Karrierechancen.

Die Bundesregierung war trotz heftiger Widerstände von Frauenverbänden nicht in der Lage insbesondere für die Frauen, die unter ganz anderen Voraussetzungen geheiratet haben, nun entsprechende Schutzmaßnahmen vorzusehen.

Frauen haben bei Eingehung einer Ehe vor 20 oder 30 Jahren noch nicht damit rechnen können, dass sie aus dem nachehelichen Solidarsystem herausfallen werden. Hätten sie dies gewusst, hätten sie möglicherweise andere Entscheidungen getroffen.

Für diese sog. Altehen sind besondere Regelungen zu treffen. Entsprechende Vorlagen zur Änderung des Gesetzes liegen vor.

Kehren wir zurück zu einem meiner Ursprungsgedanken, so fragt sich, ob das nun geltende Recht tatsächlich die gesellschaftlichen Gegebenheiten der Gleichstellung widerspiegelt.

Die vom Gesetzgeber eingebrachte Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung geht davon aus, dass sich die Zahl der erwerbstätigen Frauen wesentlich erhöht hat.

Betrachtet man sich die vorgelegten Zahlen genauer, ist fraglich, ob sich die gesellschaftlichen Realitäten tatsächlich verändert haben.

Fakt ist, dass Frauen zwar die Lissabon-Marke, d.h. die Erwerbstätigkeit von 60 % überschritten haben, doch wurde die Zahl der Frauen in Teilzeiterwerbstätigkeit nicht berücksichtigt.

Im Jahr 2004 waren immerhin 86,2 % der Frauen in Teilzeit tätig und nur 6,2 % der Männer in Teilzeit.

Fakt ist auch, dass Frauen 23 % weniger bei gleicher Arbeit als Männer verdienen, also noch weniger als der europaweite Durchschnitt von 15%. Malta erzielt einen Durchschnittswert von 4 %. Dagegen hat sich der geringere Verdienst von Frauen in Deutschland seit 1995 sogar um ein Prozent erhöht, während er sich europaweit um zwei Prozent verringert hat. Deutschland liegt im EU-Vergleich auf dem drittletzten Platz mit der Slowakei, Tschechien und Zypern. Die Entgeltungsgleichheit, auch Gender Pay Gap genannt, ist ein Ergebnis des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren im Sinne einer strukturellen Frauenbenachteiligung. Für die BRD gelten insbesondere: 

  • Fortbestehende Abwertung von Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die mit Frauen und Weiblichkeit identifiziert werden
  • Dominanz des Familienernährer-Zuverdienerinnen-Modells als Lebensform
  • Konzentration der Haus- und Familienarbeit auf Frauen
  • Geschlechtsspezifisch getrennte Arbeitsmärkte, das heißt Frauen verteilen sich auf weniger Arbeitsfelder mit schlechterer Vergütung und geringeren Aufstiegschancen
  • Unzureichende Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • Diskriminierung von Frauen bei der Einstellung
  • Unterrepräsentierung von Frauen in Führungspositionen  

Das Verbot der Entgeltdiskriminierung ist für die Bundesrepublik verfassungsrechtlich immerhin seit 1949, gemeinschaftlich seit 1958 und einfachgesetzlich seit 1982 im AGG kodifiziert. Diese Rechtsvorgaben, die überwiegend seit mehr als 50 Jahren bestehen, haben es jedoch bis heute nicht vermocht, die erheblichen Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern zu beseitigen.

Hintergrund ist, dass die Bundesregierung zwar Familienpolitik betreibt, aber keine Frauenpolitik. Immer noch gilt das Familien-Ernährer-Zuverdienermodell, das durch viele Regelungen, wie das Ehegattensplitting, Elterngeld, Betreuungsgeld, manifestiert wird.

Die Bundesregierung wurde nicht zuletzt durch die Vereinten Nationen aufgefordert, sich der Manifestierung diese Rollenstereotype zu widersetzen.

Im April 1985 hat die Bundesregierung mit den Vereinten Nationen ein Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ratifiziert. Es nennt sich CEDAW „Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination of Woman“, eine leider bei uns wenig bekannte Übereinkunft.

Hier geht es darum, tatsächliche Ergebnisse zur Veränderung der Geschlechterungleichheit zu erreichen. 185 Staaten haben sich darauf verpflichtet.

Die Überprüfung, ob die einzelnen Vertragsstaaten ihren Verpflichtungen nachkommen, erfolgt alle vier Jahre durch ein Staatenberichtssystem. Die Beachtung und Umsetzung überwacht ein besonderer Ausschuss, der aus 23 unabhängigen Sachverständigen mit hohem Frauenanteil besteht.

Der letzte CEDAW Bericht der Bundesregierung wurde erstellt im Jahre 2007. 28 Frauenverbände, darunter auch der Deutsche Juristinnenbund, haben den Schattenbericht der Bundesregierung erstellt, dessen Kritik den Regierungsvertretern sehr nahe gelegt wurde. Den Schattenbericht finden Sie auf der Homepage des Deutschen Juristinnenbund

Die Bundesregierung ist überzeugt, dass sie mit ihrer Politik alles nur Mögliche für die Gleichstellungspolitik getan hat. Ich zitiere aus ihrer Stellungnahme:

„Die Arbeit der Bundesregierung ist durchgängig am Konzept einer Gleichstellungspolitik orientiert, die die Verwirklichung der Gleichberechtigung als prozessorientierte Querschnittsaufgabe betrachtet. Sie verpflichtet die politischen Akteure bei allen Vorhaben die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse von Frauen zu analysieren und zu berücksichtigen“.

Die gesellschaftliche Wirklichkeit spiegelt wie bereits erwähnt etwas anders.

Blicken wir in die Zukunft, so stellt die derzeitige Situation für Frauen eine echte Herausforderung dar.

Sie sind verpflichtet zu Eigenverantwortlichkeit, verdienen aber erheblich weniger als Männer.

Während die Kinderarmut schon jetzt sinkt, so der neueste Familienreport des Bundesmi-nisteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Juni 2010, wird die Frauenarmut, insbesondere bei Frauen im Alter, steigen.

Frauen sind verpflichtet, ihre Kinder fremd betreuen zu lassen, genügend Einrichtungen sind aber nicht vorhanden. Auch fehlen qualifizierte Erzieherinnen. 

Eine Überschrift der SZ in dieser Woche lautete „Mütter am Nervenzusammenbruch“. 

Hintergrund war, dass es keine ausreichenden KITA Plätze gibt.

Das sie dann der Solidargemeinschaft zur Last fallen, während Männer einem Trend entsprechend mit 60 oder 70 Zweitfamilien ohne Unterhaltslast für die Erstfrau gründen können, halte ich für bedenklich.

Nur damit hier kein Missverständnis entsteht. Für die künftige Generation ist es sicher gut, eigenverantwortlich neue Lebensformen und –entwürfe zu leben und sich nicht auf die Versorgung zu stützen.

Der Gesetzgeber sollte dann aber auch dafür sorgen, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten offenstehen wie Männern. Und es wird auch an den Frauen selbst liegen Verantwortung einzufordern, von den Männern zu fordern, andere Rollenmuster einzugehen und zu lernen, die eigene Karriere voranzutreiben und machen zu wollen.

In diesem Sinne gilt für alle Frauen: Packen wirs an. 


Renate Maltry 
Rechtsanwältin 
Fachanwältin Familienrecht 
Fachanwältin Erbrecht 
Vizepräsidentin Deutscher Juristinnenbund 
Vorsitzende TuSch München