Gewalt gegen Frauen in Deutschland und der Europäischen Union (EU)


Zuletzt hat eine neue Studie der Organisation Plan International Deutschland hervorgebracht, dass in Deutschland gerade bei jungen Männern eine hohe Akzeptanz von Gewalt in der Partnerschaft herrscht. So gaben 33 Prozent der befragten Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren an, dass es „akzeptabel“ oder „eher akzeptabel“ sei, wenn ihnen im Streit mit der Partnerin gelegentlich „die Hand ausrutscht“. 34 Prozent gaben ab, gegenüber Frauen „schon mal handgreiflich“ zu werden, um ihnen Respekt einzuflößen.

Gewalt gegen Frauen macht selbstverständlich nicht an der Landesgrenze Halt. So haben frühere Umfragen bereits ergeben, dass mehr als 30 Prozent der Frauen in der EU körperliche und/oder sexuelle Gewalt in ihrem Leben erfahren.Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGHMR) befasst sich bereits seit Langem mit Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Im Jahr 2011 wurde sodann das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) getroffen.
In Art. 3a dieser Konvention wurde festgelegt, dass jede Form von Gewalt gegen Frauen zugleich eine Menschenrechtsverletzung darstellt.

Der EuGHMR hat in seiner Rechtsprechung seither festgestellt, dass die Mitgliedstaaten zur Prävention und Ahndung von Gewalt gegen Frauen verpflichtet sind, ein geeignetes gesetzliches Instrumentarium inklusive kompensatorischer Rechtsbehelfe zu stellen.

Gewährleistet werden muss hierbei, dass der gesetzliche Rahmen frei und unabhängig vom Geschlecht sein muss.

Ferner muss sichergestellt werden, dass sich hieraus ergebende gerichtliche Entscheidungen zum Schutz der Opfer umgesetzt und vollstreckt werden.

Im Übrigen sind die Vertragsstaaten verpflichtet, präventiv Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalttaten zu verhindern. Voraussetzungen hierfür ist auch hier die Schaffung eines hinreichenden gesetzlichen Rahmens, um behördliches Tätigwerden zu ermöglichen und den effektiven Zugang zu diesem Rechtsrahmen zu gewährleisten.

Weiter überprüft der EuGHMR sodann, ob die zuständigen Behörden von der Existenz einer realen oder unmittelbaren Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer Person gewusst haben oder hätten wissen müssen und sie im Rahmen ihrer Befugnisse hinreichende Maßnahmen ergriffen haben, um diese Gefahr zu vermeiden.

Sofern eine solche vorliegt, hat die Risikobewertung den speziellen Kontext häuslicher Gewalt zu berücksichtigen.

Die eingangs genannte Studie verdeutlicht, dass Gewalt gegen Frauen in Deutschland bisher keineswegs hinreichend bekämpft werden konnte.

Nichtsdestotrotz bietet das deutsche Rechtssystem zahlreiche Maßnahmen, die seitens der Opfer ergriffen werden können.

In akuten Fällen ist die Polizei jederzeit erreichbar. Diese kann zunächst für einige Tage einen Platzverweis und ein Kontaktverbot aussprechen.

Längerfristige Abhilfe kann sodann ein Gewaltschutzbeschluss schaffen, dessen sofortige Wirksamkeit schon vor der Zustellung angeordnet werden soll.

Erwirkt werden können nach dem Gewaltschutzgesetz eine Wohnungszuweisung sowie weitreichende Kontaktbeschränkungen.

Für verheiratete Paare besteht zudem die Möglichkeit, eine Wohnungszuweisung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu beantragen.

Darüber hinaus können bei betroffenen Kindern sorgerechtliche Maßnahmen eingeleitet werden.

Die entsprechenden Anträge können hierbei im Eilverfahren eingereicht werden, sodass die gerichtlichen Beschlüsse schneller ergehen.

Daneben besteht die Möglichkeit der Erstattung einer Strafanzeige oder Stellung eines Strafantrags. Die strafrechtlichen Ermittlungen erfolgen unabhängig von den Verfahren vor den Familiengerichten.
Verletzungen sollten dokumentiert und Vorfälle mit genauer Angabe von Datum, Uhrzeit, Ort und Art des Vorfalls protokolliert werden.

Ina Müller vom Berge
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht


Umstrittene Abschaffung des Elterngeldes für „Besserverdiener“

Der Haushaltsentwurf 2024 des Bundesfinanzministers sieht für das Bundesfamilienministerium eine Kürzung der Ausgaben in Höhe von rund 218 Millionen Euro vor. Um die Vorgaben zu erfüllen, soll nun wohl nicht das Elterngeld vollständig abgeschafft werden, sondern es soll die Zahl der Anspruchsberechtigen beim Elterngeld reduziert werden.

Das Elterngeld stellt im Etat des Bundesfamilienministeriums den mit Abstand größten Teil aller Ausgaben dar. Daher liegt es laut dem Bundesfinanzminister nahe, dort anzugreifen und entsprechende Ausgaben des Ministeriums einzusparen.

Aus diesem Grund soll ab dem 01.01.2024 die Einkommensgrenze für den Bezug von Elterngeld auf 150.000 Euro Jahreseinkommen pro Familie gesenkt werden. Bisher liegt die Einkommensgrenze bei 300.000 Euro Jahreseinkommen.

Es würden also nur noch Paare Elterngeld bekommen, die zusammen nicht mehr als 150.000 Euro Jahreseinkommen haben. Wichtig dabei: Es geht hier um das zu versteuernde Einkommen, nicht um das Bruttoeinkommen. Vom Bruttoeinkommen werden zunächst noch Freibeträge und Werbungskosten abgezogen, daraus ergibt sich sodann das zu versteuernde Einkommen.

Elterngeld erhalten Väter und Mütter als Ersatz für ihr Einkommen, um sich in der Zeit nach der Geburt um ihr Kind kümmern zu können. Es wird maximal 14 Monate ausgezahlt, dafür müssen beide Eltern jeweils mindestens zwei Monate Elternzeit nehmen. Beim Bezug von Elterngeld Plus, bei dem auch in Teilzeit weitergearbeitet wird, verlängert sich der Bezug von Elterngeld.

Die Abschaffung des Elterngeldes für Besserverdiener würde letztlich ca. 60.000 Familien betreffen. Dies entspricht nach Zahlen aus dem Jahr 2020 ungefähr fünf Prozent der bisher Elterngeld beziehenden Familien.

Die vorgeschlagene Abschaffung würde insbesondere Familien, welche in Ballungsräumen mit ohnehin bereits sehr hohen Lebenshaltungskosten leben, im ersten Babyjahr unverhältnismäßig belasten. Hohe Gehälter resultieren nämlich oftmals daraus, dass diese gerade die hohen Lebenshaltungskosten und Mieten mit abfangen sollen.

Darüber hinaus könnte die Streichung des Elterngeldes zu einem ungewollten Rückschritt in der Gleichberechtigung von Mann und Frau führen. Mit der Einführung des Elterngeldes war auch die Absicht verbunden, mehr Väter zu einer Elternzeit zu animieren. Fiele diese Anregung nun weg, blieben voraussichtlich doch wieder alleine die Frauen mit den Kindern zu Hause, da sie im Schnitt nach wie vor weniger verdienen als Männer.

Wenn dann sogar das Elterngeld für die Mütter wegfiele, wären diese vollständig von dem Einkommen ihres Partners abhängig. Doch gerade auch die finanzielle Unabhängigkeit vom eigenen Partner sollte durch das Elterngeld gefördert werden.

Die neue Regelung soll, falls sie so beschlossen wird, immerhin nicht rückwirkend gelten, sondern nur für Familien, welche ab dem 01.01.2024 die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld erfüllen. Wer also bisher für seine Kinder Elterngeld oder Elterngeld Plus bezieht, soll den Anspruch hierauf weiterhin behalten.

Der Bundestag soll den Haushaltsplan für 2024 im Dezember dieses Jahres beschließen. Bis dahin werden noch viele weitere, alternative Einsparmöglichkeiten diskutiert. Ob es also tatsächlich zu einer Senkung der Einkommensgrenze für den Bezug von Elterngeld kommen wird, bleibt abzuwarten.

Carolin Hölscheidt
Rechtsanwältin


Das neue Notvertretungsrecht für Ehegatten

Am 01.01.2023 ist das umfangreich reformierte Betreuungsrecht in Kraft getreten. Teil dieser Reform war die Einführung eines Ehegattennotvertretungsrechts, welches die Vertretungsmöglichkeiten von Ehegatten in gesundheitlichen Notsituationen deutlich erweitert.

Bisher konnten Ehegatten weder Entscheidungen über medizinische Behandlungen für ihren nicht mehr selbst handlungsfähigen Partner treffen noch diesen im Rechtsverkehr vertreten, solange sie nicht als rechtliche Betreuer bestellt oder von dem Partner im Rahmen einer Vorsorgevollmacht wirksam bevollmächtigt wurden.

Der seit dem 01.01.2023 in Kraft getretene § 1358 BGB ermöglicht es den Ehegatten, im Bereich der Gesundheitssorge während eines auf sechs Monate begrenzten Zeitraums Handlungen für den nicht mehr handlungsfähigen Partner vorzunehmen, auch wenn keine Vorsorgevollmacht oder rechtliche Betreuung besteht.

Das Notvertretungsrecht umfasst das Recht, in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, in Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einzuwilligen und diese zu untersagen sowie ärztliche Aufklärungen entgegenzunehmen. Darüber hinaus darf der handlungsfähige Ehegatte Behandlungsverträge abschließen und über freiheitsentziehende Maßnahmen im Krankenhaus oder im Heim entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet. Außerdem ist der Ehegatte berechtigt, Ansprüche des erkrankten Ehegatten geltend zu machen, die diesem anlässlich der Erkrankung gegenüber Dritten (z.B. einem Unfallgegner) zustehen. Während der Wahrnehmung des Notvertretungsrechts sind Ärzte gegenüber dem vertretenden Ehegatten von ihrer Schweigepflicht entbunden. Der Ehegatte darf die Krankenunterlagen des nicht handlungsfähigen Ehegatten einsehen und die Weitergabe der Unterlagen an Dritte (z.B. die Krankenkasse) bewilligen. Ausgeschlossen ist das Notvertretungsrecht, wenn die Ehegatten getrennt leben oder dem Arzt oder Ehegatten bekannt ist, dass der handlungsunfähige Ehegatte eine Vertretung durch den anderen Ehegatten ablehnt. Darüber hinaus gilt das eherechtliche Notvertretungsrecht nicht, wenn bereits eine andere Person im Rahmeneiner Vorsorgevollmacht für den Aufgabenbereich der Gesundheitssorge bevollmächtigt wurde oder ein Betreuer bestellt ist.

Für die Ausübung des Notvertretungsrechts benötigt der vertretende Ehegatte eine schriftliche Bestätigung des Arztes, demgegenüber das Vertretungsrecht erstmalig geltend gemacht wurde: Der Arzt hat dem Ehegatten schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen des Notvertretungsrechts vorliegen. In der Bestätigung muss außerdem der Zeitpunkt aufgeführt werden, ab dem das Vertretungsrecht gilt. Für den Erhalt der schriftlichen Bestätigung ist der vertretende Ehegatte verpflichtet, gegenüber dem Arzt schriftlich zu versichern, dass das Notvertretungsrecht erstmals ausgeübt wird und kein Ausschlussgrund vorliegt.
Die schriftliche Bestätigung durch den Arzt dient als Legitimation für die Ausübung des Vertretungsrechts und ist bei sämtlichen Vertretungshandlungen im Bereich der Gesundheitssorge vorzulegen.

Das Notvertretungsrecht des Ehegatten endet, sobald die Frist von sechs Monaten seit der erstmaligen Ausübung des Vertretungsrechts abgelaufen ist. Diese Frist kann nicht verlängert werden.

Der Gesetzgeber eröffnet Ehegatten mit der Einführung des Notvertretungsrechts somit die Möglichkeit, in Notsituationen schnelle Entscheidungen für den handlungsunfähigen Partner zu treffen. Hierbei ist jedoch unbedingt zu berücksichtigen, dass das Vertretungsrecht lediglich für einen begrenzten Zeitraum und einen eingeschränkten Handlungsbereich besteht. Um den Partner in der Zukunft zeitlich unbeschränkt und umfänglich vertreten zu können, ist weiterhin eine Vorsorgevollmacht erforderlich.

Wenn Sie eine Vertretung durch den Ehegatten ablehnen, empfehlen wir Ihnen, fachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen. Seit dem 01.01.2023 muss in diesem Fall entweder ein Widerspruch zum Ehegattennotvertretungsrecht erklärt werden oder eine andere Person muss im Rahmen einer Vorsorgevollmacht – insbesondere für den Bereich der Gesundheitssorge – bevollmächtigt werden. Andernfalls ist der Ehegatte in Notsituationen zur Vertretung im Bereich der Gesundheitssorge berechtigt.

Laura Kiefer,
Rechtsanwältin


Bestätigung der Masern-Impfpflicht – Aussicht auf weitere Impfpflichten für Kinder?

Im Juli 2022 entschied das Bundesverfassungsgericht, die Pflicht einer Impfung gegen Masern für Kitakinder sei verfassungskonform. Die entsprechende Verfassungsbeschwerde mehrerer Eltern, teils in Vertretung ihrer Kinder, wurde somit abgewiesen (Beschl. v. 21.07.2022 Az. 1 BvR 469/20 u.a.).

Die Beschwerdeführer stützten ihre Verfassungsbeschwerde auf das Argument, eine Pflicht zur Impfung greife zu weit in das Grundrecht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes sowie das Grundrecht der Eltern auf elterliche Sorge aus Art. 6 des Grundgesetzes ein.
Das Bundesverfassungsgericht erkennt und bestätigt diese Eingriffe, hält sie jedoch für verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die hier berührten Grundrechte können nach dem Wortlaut des Grundgesetzes durch weitere Gesetze eingeschränkt werden. Der Möglichkeit eines solchen einschränkenden Gesetzes hat sich der Gesetzgeber mit Einführung des Infektionsschutzgesetzes bedient, da er den Schutz vieler Menschen, die durch eine Masernerkrankung gefährdet seien, als vorrangig erachtet.

Der Eingriff durch die Regelungen im Infektionsschutzgesetz muss jedoch nach einer umfassenden Abwägung aller Interessen auch angemessen sein. Der Eingriff in die Rechte der Eltern bzw. der Kinder sei, so das Bundesverfassungsgericht, zum Schutze der Allgemeinheit, aber gerade auch derer, die sich selbst nicht impfen lassen können, angemessen und zumutbar. Abzuwägen seien die körperliche Unversehrtheit der Kinder sowie das Elternrecht gegen die Gesundheit und das Leben einer Vielzahl von Menschen, insbesondere vulnerabler Personen. Im Ergebnis sei der Schutz der Allgemeinheit als höherrangig einzustufen als das berührte Recht des Einzelnen.

Bei Masern bestehen eine extrem hohe Ansteckungsgefahr sowie ein hohes Risiko, einen schweren Verlauf der Krankheit zu erleiden. Hierdurch entstehe laut Bundesverfassungsgericht gerade die erhebliche Gefährdung des Rechtsguts der körperlichen Unersehrtheit Dritter.

Die Annahme des Gesetzgebers, ohne die im Infektionsschutzgesetz getroffenen Regelungen würde die Impfquote stagnieren und gleichzeitig dadurch die Anzahl der Masernausbrüche in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege steigen, beruhe auf tragfähigen Grundlagen und sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so das BVerfGE.

Dass es die Impfung gegen Masern nur als Kombinationsimpfstoff mit gleichzeitigen Wirkstoffen gegen Mumps, Röteln und Windpocken gibt, ändere hieran auch nichts. Die Impfung mit zusätzlichen Wirkstoffen müssten die Eltern in diesem Fall hinnehmen, auch wenn bezüglich der anderen Krankheiten kein mit Masern vergleichbar hohes Infektionsrisiko bestehe. Somit ist zu empfehlen, die eigenen Kinder frühzeitig gegen Masern impfen zu lassen, um Probleme bei einer Anmeldung zur Kindertagesstätte oder Kindertagespflege im Vorfeld schon zu vermeiden.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Masern-Impfpflicht wird von Vielen als wegweisende Entscheidung angesehen, wie in Zukunft weiter mit Impfpflichten umgegangen werden wird. In Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen wurde Anfang des Jahres 2022 eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Angestellte medizinischer Einrichtungen beschlossen und hielt der gerichtlichen Überprüfung mit gleicher Argumentation wie bei der Pflicht zur Impfung gegen Masern stand. Es ist somit eine einheitliche Linie des Bundesverfassungsgerichts erkennbar: Der Schutz der Allgemeinheit kann nach eingehender Abwägung aller Interessen Vorrang vor den individuellen Grundrechten haben.

Ob eine Ausweitung der Impfpflicht im Rahmen der Covid-19-Pandemie jedoch auch auf Kinder beschlossen werden wird, ist derzeit fraglich. Die Impfstoffe gegen das Corona-Virus wurden von der Ständigen Impfkommission erst nach und nach für Kinder unterschiedlichen Alters empfohlen. Derzeit wird eine Impfung für Kinder ab 5 Jahren empfohlen, für jüngere Kinder dagegen noch nicht. Daher erscheint es unwahrscheinlich, dass eine tatsächliche Verpflichtung zur Impfung aller Kinder gegen das Corona-Virus in naher Zukunft beschlossen würde.

Gibt es Unstimmigkeiten zwischen Elternteilen, ob ihre minderjährigen Kinder gegen das Corona-Virus geimpft werden sollen oder nicht, muss letztlich das Familiengericht hierüber entscheiden. Eine Impfung fällt in die Gesundheitsfürsorge des Kindes und ist somit Teil der elterlichen Sorge. Wird diese von beiden Elternteilen gemeinsam ausgeübt, müssen sie eine Einigung finden. Ist dies nicht möglich, spricht nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt im August 2021 viel dafür, dass das Familiengericht das Entscheidungsrecht auf den Elternteil übertragen wird, welcher der Empfehlung der Ständigen Impfkommission folgen möchte. Da die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission von wissenschaftlichen Experten in diesem Bereich nach eingehender Überprüfung aller Optionen ausgesprochen werden, ist dem Vorgehen der Gerichte auch zuzustimmen.

Carolin Hölscheidt,
Rechtsanwältin


Änderungen des Kindesunterhalts zum 01.01.2023 durch Erhöhung des Kindergelds und Anhebung der Unterhaltsbeträge

Bereits in der Vergangenheit wurde regelmäßig zum 01.01. eines neuen Jahres eine neue Düsseldorfer Tabelle veröffentlicht, nach der sich der zu zahlende Kindesunterhalt richtet.

Zum 01.01.2023 wird dies nun ebenfalls der Fall sein.

Hintergrund ist zum einen die geplante Erhöhung des Kindergeldes als Teil des Dritten Entlastungspakets der Ampel-Koalition. Die aktuelle finanzielle Lage stellt insbesondere für Familien eine enorme Herausforderung dar.  Um Familien besonders zu unterstützen und zu entlasten, soll nunmehr die größte Erhöhung des Kindergeldes in der Geschichte der Bundesrepublik erfolgen. Eine erste in Aussicht gestellte Erhöhung wurde hierbei noch einmal nach oben korrigiert.

Derzeit beträgt die Höhe des Kindergeldes für das erste und zweite Kind noch jeweils 219,00 € im Monat. Für das dritte Kind werden 225,00 € gezahlt und ab dem vierten Kind 250,00 €. In den vergangenen Jahren ist das Kindergeld bereits stetig, jedoch moderat gestiegen.

Das Kindergeld für die ersten drei Kinder soll im Rahmen des Dritten Entlastungspakets nunmehr ebenfalls auf jeweils 250,00 € pro Monat erhöht werden. Für das erste und zweite Kind bedeutet dies eine Erhöhung um 31,00 € monatlich, für das dritte Kind um 25,00 € monatlich.

Kindergeld wird grundsätzlich für alle Kinder bis zum 18. Lebensjahr, für Kinder in Ausbildung bis zum 25. Lebensjahr sowie für arbeitslose Kinder bis zum 21. Lebensjahr gezahlt.

Des Weiteren wird gemäß der bereits in der Vergangenheit beschlossenen Vierten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 07.12.2021 der Mindestunterhalt zum 01.01.2023 ebenfalls erneut steigen. Der Mindestunterhalt in der ersten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle wird sich hierbei von 396,00 € auf 404,00 € erhöhen, in der zweiten Altersstufe von 455,00 € auf 464,00 € und in der dritten Altersstufe von 533,00 € auf 543,00 €.

Der Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes richtet sich gemäß § 1612a Absatz 1 Satz 2 BGB seit dem 01.01.2016 nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum des minderjährigen Kindes. Der konkrete Mindestunterhaltsbetrag ist gemäß § 1612a Absatz 4 BGB alle zwei Jahre vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung neu festzulegen.
Die Erhöhung des Kindergeldes für die ersten drei Kinder einerseits und die Anhebung des Mindestunterhaltsbetrags andererseits hat zur Folge, dass sich die Zahlbeträge, die ein Unterhaltspflichtiger für die ersten drei minderjährigen Kinder zu zahlen hat, tatsächlich geringfügig verringern.

Ina Müller vom Berge
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht


Die Modifikationen des gesetzlichen Güterstandes am Beispiel des Unternehmerehevertrages

Der Wunsch nach einer individuellen, vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft abweichenden Regelung des Güterstandes veranlasst nicht nur künftige Eheleute regelmäßig dazu, den Abschluss eines Ehevertrages ins Auge zu fassen. Auch während bestehender Ehe ist der Vertragsabschluss, der einer notariellen Beurkundung bedarf, möglich.

Den Eheleuten steht es bei der Gestaltung des Güterstandes grundsätzlich frei, von dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft Abweichendes zu vereinbaren. Hierbei stehen ihnen folgende Güterstände zur Verfügung: die modifizierte Zugewinngemeinschaft, die Gütertrennung, die Gütergemeinschaft und der Güterstand der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft.
In der ehevertraglichen Gestaltungspraxis am relevantesten sind die modifizierte Zugewinngemeinschaft und die Gütertrennung. Möchten die Ehegatten den Zugewinnausgleich nicht gänzlich ausschließen, wie es die Folge einer Gütertrennung wäre, sondern nur auf ihre Interessen hin anpassen, so kann die modifizierte Zugewinngemeinschaft die passende Gestaltungsform sein. Leben die Ehegatten beispielsweise in einer sog. Unternehmerehe, in der einer oder beide Ehegatten als Unternehmer*in tätig ist, so kann der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft und damit verbunden ein Zugewinnausgleich im Scheidungsfall eine erhebliche finanzielle Belastung für die Unternehmerin/den Unternehmer darstellen.

Eine Modifikation des gesetzlichen Güterstandes ist somit ratsam dahingehend, dass der Betrieb und das sonstige Betriebsvermögen aus der Zugewinnberechnung vollständig herausgenommen werden. Vorteil hiervon ist, dass die Ehegattin/der Ehegatte zumindest am privaten Vermögenszuwachs partizipieren kann.
Obwohl Regelungen zum Zugewinnausgleich grundsätzlich außerhalb des Kernbereichs der Scheidungsfolgen liegen und insoweit auch am weitesten einer ehevertraglichen Regelung zugänglich sind, müssen auch die Vereinbarungen zum Güterrecht einer Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle durch die Gerichte standhalten.

Es zeigt sich insbesondere bei Unternehmereheverträgen, bei denen das Betriebsvermögen vom Zugewinnausgleich ausgeschlossen ist, nicht selten eine Manipulationsgefahr zulasten des nichtunternehmerisch tätigen Ehepartners. Um diese zu beschränken und einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Ehegatten zu gewähren, sind im Rahmen der Vertragsgestaltung verschiedene Ansätze denkbar, um möglichen Benachteiligungen für die/den andere/n Ehegattin/en vorzubeugen.

Lena Hieber
Rechtsanwältin