GETRENNT UND DOCH GEMEINSAM — DIE GEMEINSAME ELTERLICHE SORGE TROTZ TRENNUNG UND SCHEIDUNG

Nach deutschem Recht haben verheiratete Eltern gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich gemeinsam die Pflicht und das Recht, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen. Für nicht verheiratete Eltern ist es erforderlich, eine gemeinsame Sorgerechtserklärung beim Jugendamt oder einem Notar abzugeben, um gemeinsam die elterliche Sorge ausüben zu können. Falls diese nicht einvernehmlich erklärt werden kann, besteht auch die Möglichkeit, die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge gerichtlich zu beantragen. Das Familiengericht wird einem solchen Antrag entsprechen, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dabei wird bereits gesetzlich vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl am ehesten entspricht und dies dem Kindeswohl zuträglich ist.

Die elterliche Sorge umfasst sowohl die Personen- als auch die Vermögenssorge sowie die Vertretung des Kindes in persönlichen Angelegenheiten. Dazu gehören unter anderem Entscheidungen über die Ausbildung und den Berufsweg des Kindes (einschließlich Kindergarten, Schule und Ausbildung), planbare medizinische Eingriffe, Aufenthaltswechsel, Taufe, Kontoeröffnung und Urlaube.

Doch was passiert nun im Falle einer Trennung oder Scheidung der Eltern?

Auch im Falle einer Trennung oder einer rechtskräftigen Scheidung bleibt die gemeinsame elterliche Sorge sowohl für verheiratete als auch für nicht verheiratete Eltern bestehen. Die Eltern sind dann trotz gescheiterter Beziehung weiterhin verpflichtet und berechtigt, Entscheidungen des Kindes gemeinsam zu treffen.

Falls eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht mehr möglich ist, kann ein Elternteil die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge oder die Übertragung einzelner Teile der elterlichen Sorge bei dem zuständigen Familiengericht beantragen.

Im Rahmen eines solchen Verfahrens wird eine doppelte Kindeswohlprüfung durch das Gericht erfolgen. Es muss zunächst festgestellt werden, ob eine gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, wird im nächsten Schritt geprüft, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil im besten Interesse des Kindes liegt. Dabei werden verschiedene Kriterien wie der Kontinuitätsgrundsatz, die Bindungen des Kindes, der Kindeswille und der Förderungsgrundsatz berücksichtigt.

Beispiele für Umstände, die zur Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge führen können, sind unter anderem schwere Gewaltanwendungen gegenüber dem anderen Elternteil oder dem Kind, Misshandlungen, Vernachlässigung, Suchterkrankungen eines Elternteils. Die Rechtsprechung ist insbesondere im Hinblick auf das grundrechtlich geschützte Elternrecht nach Art. 6 GG eher zurückhaltend. So hat das Oberlandesgericht Nürnberg kürzlich entschieden, dass gelegentlicher Drogenkonsum allein noch nicht ausreicht, um die alleinige elterliche Sorge auf einen Elternteil zu übertragen. Es ist jedoch stets der Einzelfall zu prüfen.

Unabhängig von der elterlichen Sorge besteht ein Umgangsrecht des nicht betreuenden Elternteils.

Jessica Chaaban
Rechtsanwältin


MIETVERHÄLTNISSE BEI TRENNUNG UND SCHEIDUNG

Bereits mit der Trennung stellt sich in der Regel die Frage, wer in der angemieteten Wohnung verbleibt.
Im besten Fall einigen sich die Ehegatten diesbezüglich gütlich. Die sogenannte Ehewohnung genießt nämlich per Gesetz einen besonderen Schutzstatus. So kann ein Ehegatte nach der Trennung von dem anderen nicht einfach verlangen, aus dieser Ehewohnung auszuziehen.

Nach der Trennung kann eine Zuweisung der Ehewohnung ganz oder teilweise gerichtlich lediglich über ein Ehewohnungszuweisungsverfahren gemäß § 1361b BGB oder ein Gewaltschutzverfahren erwirkt werden. Nach Rechtskraft der Scheidung richtet sich die Überlassung der Ehewohnung nach § 1568a BGB.

Insbesondere im Rahmen der gerichtlichen Verfahren sollte auch an die Beantragung eines Kündigungsverbots gedacht werden. Sind die Ehegatten beide Mieter, so kann einer allein den Mietvertrag nicht kündigen. Ist jedoch ein Ehegatte Alleinmieter, so kann er die Ehewohnung jederzeit unter Einhaltung der Kündigungsfrist allein kündigen.

Sowohl im Falle der gütlichen Einigung als auch bei den gerichtlichen Verfahren sollte der in der Ehewohnung Verbleibende jedoch unbedingt darauf achten, dass die Miete künftig regelmäßig gezahlt wird, da der Vermieter wiederum ansonsten das Mietverhältnis fristlos kündigen kann.
Zieht ein Ehegatte absprachegemäß aus der Ehewohnung aus, muss der verbleibende Ehegatte die Miete allein weiterzahlen.

Zieht ein Ehegatte jedoch ohne Einverständnis des anderen aus, so wird dem verbleibenden Ehegatten die alleinige Nutzung der Ehewohnung aufgedrängt. Der verbleibende Ehegatte hat in der Regel eine Überlegungsfrist von drei Monaten, ob er verbleiben oder auch ausziehen will. Entscheidet er sich dazu, ebenfalls auszuziehen, so muss sich der ausgezogene Ehegatte grundsätzlich für die Restdauer der Mietzeit beteiligen. Will er in der Ehewohnung verbleiben, so hat er die Miete allein zu tragen. Dabei wird überwiegend vertreten, dass dies erst für die Zeit nach Ablauf der Überlegungsfrist gilt.

Ina Müller vom Berge
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht


UMSTRITTENE ABSCHAFFUNG DES ELTERNGELDES FÜR „BESSERVERDIENENDE“

Elterngeld erhalten Väter und Mütter monatlich als Ersatz für ihr reguläres Einkommen, um sich in der Zeit nach der Geburt angemessen um ihr Kind kümmern zu können. Auch getrennt lebende Eltern oder Alleinerziehende können Elterngeld beziehen.

Die Höhe des Elterngeldes ist abhängig von der persönlichen Lebenssituation und von der gewählten Elterngeld-Variante.

Bisher wurde der Bezug von Elterngeld erst ab einem zu versteuernden Jahresfamilieneinkommen von über 300.000 Euro ausgeschlossen.

In ersten Entwürfen zu einer Neuregelung des Elterngeldbezuges aus dem Herbst 2023 war eine Senkung der Einkommensgrenze auf 150.000 Euro geplant. Diese wurde jedoch aufgrund von vielseitigen Protesten letztlich nicht beschlossen.

Die Grenze des zu versteuernden Einkommens, ab der der Anspruch auf Elterngeld entfällt, wird nun für Geburten ab dem  1. April 2024 für Paare auf 200.000 Euro festgelegt. Diese Grenze soll auch für Alleinerziehende gelten. Für Eltern, deren Kind bis einschließlich 31. März 2024 geboren wurde, gelten die bisherigen Regelungen weiter.

Für Geburten ab dem 1. April 2025 wird die Einkommensgrenze für Paare sowie voraussichtlich auch für Alleinerziehende noch einmal weiter auf 175.000 Euro gesenkt werden.

Carolin Hölscheidt
Rechtsanwältin

 

 


Die neue Kindergrundsicherung – aktueller Stand

Bereits seit einiger Zeit in aller Munde ist die laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend umfassendste sozialpolitische Reform.

Die geplante Kindergrundsicherung soll Kinder vor Armut schützen und bessere Chancen für Kinder schaffen. Sie soll künftig die zentrale Leistung für alle Kinder sein und das System der Familienförderung vereinfachen.

Bestehen soll die Kindergrundsicherung aus zwei Komponenten – dem für alle Kinder gleich hohen Kindergarantiebetrag und dem einkommensabhängigen und altersgestaffelten Kinderzusatzbetrag.
Der für alle Kinder gleich hohe Kindergarantiebetrag ersetzt hierbei das heutige Kindergeld. Der einkommensabhängige Kinderzusatzbetrag löst Leistungen wie Kinderzuschlag, Kinderregelbedarf aus Bürgergeld und Sozialhilfe sowie Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes ab.

Auch möchte der Staat den Bezug der Kindergrundsicherung für die Familien vereinfachen. So soll die Kindergrundsicherung künftig einfach und digital zu beantragen sein. Auch soll mit dem Kindergrundsicherungscheck gleichzeitig geprüft werden, ob eine Familie Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag haben könnte, und proaktiv darüber informiert werden.

Die bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelte Familienkasse, die bereits für das jetzige Kindergeld zuständig ist, soll künftig für die geplante Kindergrundsicherung zuständig sein. Geplant ist jedoch eine Namensänderung der ‚Familienkasse‘ in ‚Familienservice‘.

Das Bundesfamilienministerium hat den Gesetzesentwurf zur Einführung der Kindergrundsicherung erarbeitet. Am 09.11.2023 fand die 1. Lesung im Bundestag statt. Das Inkrafttreten der Kindergrundsicherung ist für den 01.01.2025 vorgesehen.

Ina Müller vom Berge
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht


Vollstreckbarkeit eines Umgangstitels – Relevanz und Voraussetzungen

Leben die Kinder im Haushalt eines Elternteils, so steht dem nicht betreuenden Elternteil ein Umgangsrecht mit diesen zu. Gleiches gilt auch andersrum: Auch die Kinder haben ein Recht, den nicht betreuenden Elternteil regelmäßig zu sehen.

Idealerweise wird das Umgangsrecht durch eine Vereinbarung zwischen den Eltern ausgestaltet. Grundsätzlich unterliegt eine solche Regelung keiner Formvorschrift – sie kann also auch mündlich vereinbart werden. Vorsicht allerdings: Solche Vereinbarungen sind rechtlich nicht bindend und somit auch nicht vollstreckbar. Dafür ist ein gerichtlicher Beschluss, eine gerichtlich gebilligte Vereinbarung oder eine notariell beurkundete Vereinbarung erforderlich. Laut Rechtsprechung ist für die Vollstreckung außerdem zwingend erforderlich, dass die Umgangsregelung hinreichend konkret formuliert ist.

Regelungen wie „Der Vater hat das Recht zum laufenden Umgang mit dem Kind alle 14 Tage von Freitag nach der Schule bis Montag früh zum Beginn der Schule, beginnend mit 18.09. bis 22.09.2023 […]“ oder „das Kind verbringt die Hälfte der Ferien bei dem Vater“ reichen laut höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht aus, um bei einer Umgangsverweigerung – egal durch welchen Elternteil – ein Zwangsmittel zu verhängen.

Der Anordnung eines Ordnungsmittels wegen Zuwiderhandlung gegen einen Titel stehe entgegen, dass Umgangsregelungen wie die vorstehenden mangels hinreichender Bestimmtheit keinen vollstreckbaren Inhalt aufwiesen. Denn es sind weder Ort noch Uhrzeit für die Übergabe geregelt. Die mögliche Auslegung einer solchen Regelung, also Umgang ab fiktivem Schulschluss, Schule oder Wohnsitz als Übergabeort oder Abholen bzw. Bringen, ist weder den Eltern zumutbar noch für das Vollstreckungsverfahren – und somit für die Verhängung eines Zwangsmittels – ausreichend.

Gerichtliche Umgangsanträge oder -vereinbarungen müssen daher so konkret wie möglich formuliert sein, mit genauer Bestimmung über Art, Ort und Zeit des Umgangs. Die Beteiligten müssen eindeutig erkennen können, welche Rechte und Pflichten für sie bestehen.
Es sollte daher fachkundige Unterstützung bei der Formulierung einer Umgangsvereinbarung in Anspruch genommen werden, um eine rechtlich bindende Vereinbarung herbeizuführen.

Jessica Chaaban
Rechtsanwältin